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Wer Johann Sebastian Bach nicht nur zeitlich, sondern auch stilistisch der Epoche des Barock zuordnet, verkennt die zu dieser Zeit einzigartige Vertonung gebundener Rede in Bachs Vokalwerk. Wie Michael Hoyer an neunzehn Beispielen durch komplexe Analyse und philosophische Auslegung demonstriert, ist hier eine Abkehr von den zuvor gebräuchlichen Affektdarstellungen und eine Hinwendung zu einer realen Sprechsituation anzutreffen, die von der Idee eines neuen, einem dramatischen Realismus verpflichteten Musiktheaters zeugt. Musik schickt sich damit an, sich zum Organ eines individuell bestimmten menschlichen Fühlens und Denkens zu machen. So wird Bachs Kantaten- und Oratorienschaffen zum vokalen Wegweiser, ohne den Mozarts Opern ab der Entführung aus dem Serail sowie alle Opern Beethovens, Verdis, Puccinis, aber auch die Lieder Schuberts und Schumanns und selbst die Sinfonik Mahlers nicht denkbar wären.