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Im Königreich Marokko ist das Familienrecht stark geprägt von historisch gewachsenen religiösen, rechtlichen und sozialen Normen. Seit einigen Jahren findet darüber ein gesellschaftspolitischer Aushandlungsprozess statt, bei dem erstmals in der Breite der Gesellschaft kontrovers über die Regelung der Erbschaft diskutiert wird. Julia Heilen untersucht dieses sensible Thema aus drei Perspektiven:
- den islamischen Normen der mālikitischen Jurisprudenz (al-fiqh al-mālikī), welche die moderne Gesetzgebung maßgeblich prägen,
- einigen Besonderheiten lokalen amazighischen bzw. berberischen Gewohnheitsrechts (azerf) sowie
- der Mitte des 20. Jahrhunderts erstmaligen Kodifikation (at-taqnīn) erbrechtlicher Normen und aktuellen Forderungen nach deren erneuter Reform.
Bemerkenswert ist, dass die Kontroversen über den Ausgleich sozialer Härten kein neues Phänomen darstellen. Am Beispiel der amazighischen Rechtspraxis der tamazzalt (Arabisch: al-kadd wa-s-siʿāya) zeigt Heilen, dass das Thema die Religionsgelehrten seit Jahrhunderten beschäftigt.